Wie Bakterienzellen ihre eigene DNS erkennen

06.04.2015

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Es ist vielleicht eine Überraschung, aber Bakterien haben ein eigenes Immunsystem, mit dem sie invasive Viren, genannt Bakteriophagen, bekämpfen. Genau wie für jedes Immunsystem, egal in einer einzelnen Zelle oder beim Menschen, stellt die Fähigkeit zwischen "fremd" und "eigen" zu differenzieren, eine Hauptherausforderung für das bakterielle Immunsystem dar. . Und dies ist alles andere als einfach, denn Viren, Bakterien und alle anderen Organismen bestehen aus DNS und Proteinen. Eine Gruppe von Forschernam Weizmann Institut und an der Tel Aviv Universität haben jetzt genau gezeigt, wie Bakterien diese Differenzierung schaffen. Ihre Forschungsergebnisse wurden heute online in Nature veröffentlicht.

 

            "Zumeist sind Bakteriophagen in verschiedensten Umfeldern in etwa zehnfach größerer Menge vorhanden als Bakterien. Genau wie alle Viren benutzen sie die Replikationsmaschinerie ihrer Wirtszelle um Kopien von sich selbst zu fertigen," sagt Prof. Rotem Sorek aus dem Fachbereich Molekulargenetik am Weizmann Institut. "Und sie entwickeln dafür ständig neue Wege. Demnach brauchen Bakterien ein sehr aktives Immunsystem zum Überleben."

 

            Bis vor kurzem waren  Wissenschaftler nicht einmal sicher, ob Bakterien überhaupt über ein adaptives Immunsystem verfügen, ein Immunsystem, das sich an vorherige Begegnungen "erinnert", um gezielt reagieren zu können. Das änderte sich vor einigen Jahren, als ein adaptives System in Bakterien entdeckt wurde, das sich CRISPR nennt. Dieser CRISPR-Immunmechanismus ist nicht nur für die Bakterie selbst wichtig, sondern hat auch einen bedeutenden Einfluss auf unser tagtägliches Leben: Es wird heutzutage z.B. zum Schutz der "guten" Bakterien in Joghurt und Käse  benutzt. Und es könnte auch unsere Zukunft beeinflussen: Wissenschaftler haben herausgefunden wie das raffinierte CRISPR-System verwendet werden kann, um das menschliche Genom zu editierenund es zu einem praktischen Werkzeug für sehr viele klinische Anwendungen zu machen.

 

            Um sich an eine Infektion zu erinnern, greift sich das CRISPR-System eine kurze Sequenz der eindringenden viralen DNS und setzt es direkt im bakteriellen Genom ein. Die DNS-Stücke des Bakteriophagen werden in besonderen Teilen des Genoms gespeichert und diese stellen das Immungedächtnis dar. In Folgeinfektionen benutzt das CRISPR diese Sequenzen, um kurze RNS-Abschnitte zu schaffen, die zur genetischen Sequenz der Phagenfamilie passt. Proteinkomplexe an der RNS identifizieren dann die DNS der Phagen und zerstören sie. 

 

            Selektivität ist selbstverständlich eine äußerst wichtige Fähigkeit eines solchen Systems: Vorherige Forschungsarbeiten des Sorek-Labors haben gezeigt, falsches Aufgreifen eigener DNS-Stücke kann bewirken, dass eine Bakterienzelle eine Art Autoimmunkrankheit erleidet, die dazu führt, dass die eigene DNS angegriffen wird, mit fatalen Folgen für die Bakterie.  Mit mehr als 100mal mehr eigener als fremder DNS in der Zelle, könnten weitaus mehr Fehler auftreten als die Forscher eigentlich registriert haben.

 

            Wie weiss das CRISPR-System wie es fremde und nicht eigene DNS-Stücke in das Immungedächtnis einbaut? Sorek und sein Forschungsstudent Asaf Levy bildeten gemeinsam mit Prof. Udi Qimron und Moran Goren von der Tel Aviv Universität ein Team, das versuchte diese Frage im Detail zu beantworten und dabei einen komplexen, mehrstufigen Mechanismus für diesen Abschnitt des CRISPR-Prozesses zu enthüllen.

 

            Sie entwickelten ein experimentelles Setup mit Plasmiden – kurzen, kreisförmigen DNS-Stücken, welche Viren nachahmen – und injizierten diese in die Bakterienzellen.       Diese Bakterien hatten zwei Proteine, die sich Cas1 und Cas2 nennen und Teile vom CRISPR-System sind, das für die Aufnahme von fremden DNS-Stücken verantwortlich ist. Das CRISPR-System nahm die Plasmid-DNS erfolgreich in das bakterielle Genom auf, während die "eigene" DNS nur selten angegriffen wurde. Die Forschungsgruppe erfasste etwa 38 Millionen separate Immunisierungsvorfälle.

 

            Beim genaueren Betrachten der Ergebnisse bemerkte das Team, dass das CRISPR-System, das die Proteine Cas1 und 2 benutzte, insbesondere die DNS identifiziert, die sich schnell vervielfältigt. Ironischerweise ist das die Überlebenstaktik der Bakteriophagen – ein vorprogrammierter Antrieb zur Vervielfältigung um jeden Preis – der letztlich im eigenen Niedergang endet.

 

            "Dennoch," sagt Sorek, "erklärt sich damit nicht genau wie das CRISPR-System zwischen dem `Eigenen´ und dem `Fremden´ unterscheidet."

 

            Die Lösung findet sich in einem tieferen Verständnis des Prozesses. Während der DNS-Vervielfältigung entstehen des öfteren kleine Unterbrechungen in der DNS; diese Unterbrechungen rufen ein DNS-Reparatur-Enzym auf, das ein wenig an den DNS-Bruchstücken "knabbert". Das Forschungsteam entdeckte, dass die "übrig gebliebenen" Stücke, die die Reparatur-Maschine zurückgelassen und  nicht angeknabbert hat, eigentlich die Quelle für die virale DNS sind, die vom CRISPR-System zur Herstellung des Immungedächtnisses der Bakterie benutzt wird. Wenn dieses Reparatur-Enzym jedoch auf eine kurze Sequenz genannt "Chi site" trifft, stoppt das Knabbern. Solche Chi-Sequenzen werden sehr oft im bakteriellem aber nur selten im viralen Genom angetroffen. Demnach dienen "Chi sites" als "Eigenmarkierer": Sie weisen die Aktivität der CRISPR-Maschine zurück, wenn sie anwesend sind, aber ermöglichen ihr auch, DNS-Stücke der Bakteriophagen zu benutzen, wenn solche fehlen.

 

            Demnach benutzt die Bakterienzelle ihren normalen DNS-Vervielfältigungs- und Reparaturprozess, um die DNS der Phagen zu identifizieren, wobei sie wiederholt prüft, dass sich die neue DNS  in zweierlei fundamentalen Wegen vom "Eigengenom" unterscheidet. Mithilfe der Aktivität der beiden CRISPR-Proteine – Cas1 und 2 – kann das bakterielle Immunsystem sicherstellen, dass es ausschließlich fremde DNS in sein "Immungedächtnis" aufnimmt und somit seine Abwehr aktiviert.

 

            Sorek: "Die Lösung des Rätsels der Differenzierung zwischen dem Eigenen und dem Fremden im bakteriellen Immunsystem und die Entzifferung des genauen Mechanismus dieser Stufe des CRISPR-Prozesses bietet uns einen wichtigen Einblick in die unsichtbare Konfrontation, die sich stetig und überall um uns herum ereignet." Qimron: "Die bakterielle Lösung zur Vermeidung von Autoimmunität könnte mit Hilfe des CRISPR-Systems in Zukunft klinische Anwendungen ermöglichen." 

 

 

Dr. Rotem Soreks Forschungsarbeit wird finanziert vom Dana and Yossie Hollander Center for Structural Proteomics, der Abisch Frenkel Foundation for the Promotion of Life Sciences, dem Europäischen Forschungsrat, dem Leona M. And Harry B. Helmsley Charitable Trust, der Hugo and Valerie Ramniceanu Foundation, dem Dr. Dvora and Haim Teitelbaum Endowment Fund, von Herrn Martin Kushner Schnur zu Ehren von Fanny Kushner und aus dem Nachlass von Samuel und Alwyn J. Weber.

 

 

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